07.08.2020 |
3 Mädchen, die darauf bestehen, dass sie KEIN Besitz sind
Im Laufe der Geschichte wurden Mädchen in vielen Gesellschaften mehr oder weniger als Besitz ihrer Väter oder Ehemänner behandelt. Ohne Mitspracherecht wurde über ihre Zukunft entschieden. In den letzten Jahren konnten enorme Fortschritte erzielt werden, doch es zeigt sich, dass fest verwurzelte Überzeugungen schwer zu überwinden sind. Zwar sind Kinderheirat, Mitgift und weibliche Genitalverstümmelung inzwischen in vielen Ländern illegal, stellen aber für viele Mädchen immer noch eine Bedrohung dar.
Hier erzählen wir drei Geschichten von Mädchen, die gemeinsam mit ihren Müttern und der Kirche vor Ort auf ihren Rechten bestehen.
Heimlich in die Schule schleichen
In der Heimatstadt von Joyce in Tansania sind Mädchen und Frauen den Männern unterworfen. Frauen haben keinen Besitz. Frauen dürfen nicht sprechen, wenn sie nicht angesprochen werden. Und sie haben kaum eine Chance auf Ausbildung.
Der Vater von Joyce hat drei Familien. Mit seiner dritten Frau lebt er in einer anderen Provinz. Zu besonderen Anlässen kommt er zu Besuch – beispielsweise um die Ehen und Mitgift seiner Töchter zu besprechen. Joyce musste zusehen, wie drei ihrer Schwestern nach der Grundschule verheiratet wurden.
Aber Joyce wollte einen anderen Weg einschlagen. Durch die Unterstützung ihrer Patin besuchte sie ein Compassion-Kinderzentrum, konnte zur Schule gehen und ihre Rechte kennenlernen. Nachdem sie die Grundschule beendet hatte, tat sie etwas Außergewöhnliches: Sie widersetzte sich ihrem Vater und ging weiter zur Schule.
„Als ich in die weiterführende Schule kam, versuchte mein Vater, mich vom Schulbesuch abzuhalten. Ich musste früh aufstehen, um unbemerkt das Haus verlassen zu können“, sagt Joyce. „Wenn ich von der Schule kam, schimpfte er sowohl mit meiner Mutter als auch mit mir.“
„Ich will ein besseres Leben für meine Kinder“, sagt Joyces Mutter. „Ich kann ihnen die Chance nicht verwehren, ihr Leben besser zu machen. Und wenn sie Erfolg haben, freue ich mich darüber.“
Joyce hatte auch die Unterstützung des Kinderzentrums, damit sie in der Schule bleiben konnte. Als ihr Vater versuchte, sie mit 17 Jahren zu verheiraten, rannte Joyce zu den Mitarbeitern der Partnerkirche von Compassion, um Hilfe zu holen. Sie sprachen mit dem Vater und machten ihm klar, dass sie ihn bei der Polizei anzeigen würden, wenn er seine Tochter gegen ihren Willen zur Heirat bewegen würde.
Heute ist Joyce 19 Jahre alt und studiert mit der Hilfe ihrer Patin Community Development! Sie hofft, dass sie mit ihrem Beruf dazu beitragen kann, mehr Mädchen aus ihrer Umgebung zum Schulbesuch zu bewegen.
Mädchen und Mütter stark machen
Zuri (Namen geändert) wachte auf. Draußen war es voller Menschen. Als sie eine Frau in der Menge bemerkte, lief es ihr kalt den Rücken herunter. Die ältere Frau war eine bekannte Beschneiderin, die das Ritual der weiblichen Genitalverstümmelung (female genital mutilation, FGM) durchführte.
Bevor FGM 1998 in Tansania kriminalisiert wurde, war die kulturelle Praxis ein Übergangsritus für Mädchen in den zentralen und nördlichen Regionen Tansanias. FGM wird durchgeführt, um Mädchen „auf die Ehe vorzubereiten“, oft schon vor der Pubertät. Seit es als Verbrechen gilt, wird es oft im Verborgenen durchgeführt. Aber es gibt Eltern, Mädchen und Kirchen, die sich dagegen stellen.
In regelmäßigen Seminaren klärt die lokale Partnerkirche von Compassion Familien über die physischen und psychischen Auswirkungen weiblicher Genitalverstümmelung auf. Zuris 16-jährige Tochter Sarah entschied, dass sie sich der Praxis nicht unterziehen wollte. Die Seminare bewirkten, dass Zuri sich zur Entscheidung ihrer Tochter stellte.
Aber normalerweise haben Mädchen keine Wahl.
„Ich wurde zu einer anderen Zeit geboren als meine Tochter“, sagt Zuri. „Als meine Mutter es mir und meinen Schwestern antat, konnten wir uns nicht dagegen wehren. Aber nachdem ich es selbst durchlebt hatte, will ich es nicht für meine Tochter. Es ist eine sehr grausame Sache.“
An diesem schicksalhaften Morgen lief Zuri los, um ihre Tochter Sarah zu finden. Sie sagte ihr, sie solle sofort verschwinden. Zuri versuchte noch, ihre Nichte Maria zu warnen, aber sie kam zu spät. Sarah begab sich an den einzigen Ort, den sie für sicher hielt: das Kinderzentrum von Compassion.
Die Mitarbeiter der Kirche sorgten dafür, dass Sarah einen sicheren Ort hatte, wo sie bleiben konnte, bis die Beschneiderin weg war. Auch wenn sie ihre Cousine Maria nicht davor hatten bewahren können, meldeten die Mitarbeiter den Vorfall bei der Polizei und die Beteiligten wurden verhaftet. Die Kirche hofft, dass dies viele Eltern dazu bewegen wird, das illegale Ritual in Zukunft nicht mehr zu praktizieren.
Heute besuchen Sarah und Maria weiterhin die Schule und das Compassion-Kinderzentrum, wo sie Liebe, Schutz und Unterstützung finden.
„Maria und ich haben unseren Eltern immer gesagt, dass wir nicht beschnitten werden wollen“, sagt Sarah. „Als meine Mutter mich an diesem Morgen wegschickte, wusste ich, wie sehr sie mich liebte. Ich hoffe nur, dass mehr Eltern so sein könnten wie sie“, sagt Sarah.
Ein Schulkind steht nicht zum Verkauf
Die zehnjährige Paulina gehört zum Stamm der Massai. Die Massai leben im Norden Tansanias und im Süden Kenias. Die Rollen für Mädchen und Jungen sind klar definiert: die Jungen lernen von klein auf, für das Vieh ihrer Familie zu sorgen; die Mädchen werden – ebenfalls in sehr jungen Jahren – verheiratet.
Obwohl der Besuch der Grundschule in Tansania verpflichtend ist, findet die Einschulung der Kinder, vor allem der Mädchen, nur langsam Eingang in das Wertesystem der Massai. Aber dank Kindern wie Paulina schreitet der Wandel voran.
Als Paulina ein Baby war, verließ ihr Vater, Abraham, sein Zuhause, um in einem anderen Land zu arbeiten. Paulinas Mutter Elisabeth wusste um die Bedeutung von Bildung und meldete ihre Kinder in der Schule an. Als Abraham zurückkehrte, stand Paulina kurz vor der Einschulung.
Abraham war wütend. Schulbildung für Mädchen bedeutete ihm nichts. Sein Ziel für Paulina war eine frühe Heirat, für die er von der Familie des Bräutigams eine Mitgift erhalten würde. So war es auch bei ihrer älteren Schwester gewesen.
Statt eingeschult zu werden, wurde Paulina von Abraham zu seiner Mutter geschickt. Sie verbrachte ihre Tage damit, die von den Kühen der Familie produzierte Milch zu verkaufen. Aber als Jackson Msuya, ein Mitarbeiter von Paulinas Compassion-Kinderzentrum, von der Grundschule erfuhr, dass sie nicht eingeschult worden war, wurde er aktiv.
Er versuchte Abraham zu finden, aber der Vater versteckte sich vor ihm. Jackson wandte sich an die Dorfältesten, um den Vater davon zu überzeugen, seiner Tochter den Schulbesuch zu erlauben, aber die Ältesten standen dem Vater zur Seite. Schließlich ging Jackson Msuya zur Polizei.
„Sobald er sah, dass die Polizei involviert war, willigte Abraham ein, Paulina in die erste Klasse gehen zu lassen.“
Und um sicherzustellen, dass Abraham sein Einverständnis nicht rückgängig machte, ließ das Compassion-Kinderzentrum ihn eine Erklärung unterzeichnen, in der er versprach, sie nie wieder aus der Schule zu nehmen.