Ein neuer Fokus auf Bildung
Dambe aus Togo fragte sich oft, ob das alles normal sei. Dies kam ihr meistens in den Sinn, wenn sie wusste, dass ihre Kinder hungrig waren oder sie ihre Kinder in zerrissener Kleidung und barfuß sah. Sie konnte es nicht ertragen, dass sie ihre Kinder nicht ausreichend versorgen konnte. Sie gab sich die Schuld für all den Mangel, den ihre Familie erlebte. Und sie machte sich Sorgen, wenn sie an die Zukunft ihrer 9-jährigen Tochter Bernadette dachte. Sie wusste, dass das als Frau ohne Bildung sehr schwer sein würde.
Der Verdienst ihres Ehemannes aus der Landwirtschaft und Dambes Einkommen aus der Weberei reichten nicht aus, um die Ausgaben der Familie zu decken. Mahlzeiten auf den Tisch zu bringen, war immer eine Herausforderung. Eine Mahlzeit am Tag war das Beste, was sie sich leisten konnten. Das Schulgeld ihrer Kinder konnte sie oft nicht zahlen. Viele ihrer Nachbarn waren mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert. Die meisten Eltern arbeiteten als Kleinbauern und kämpften damit, ihre Kinder ausreichend zu versorgen. Bildung war lange ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnten.
Von der Schule heimgeschickt
Es war ein normaler Schultag für die 9-jährige Bernadette, bis der Schulleiter in ihren Klassenraum kam. Er sagte ihr, dass sie zu Hause bleiben muss, solange die Schulgebühren nicht bezahlt sind. Traurig machte sich Bernadette auf den Heimweg. Ein plötzlicher Regenschauer zerstörte zu allem Überfluss ihr einziges Schulheft. Sie hatte keine andere Wahl, als zu Hause zu bleiben. „Ich war so traurig und ich habe mich so allein gelassen gefühlt“, sagt die 9-Jährige.
„Viele Kinder gingen in die Schule, ohne etwas gegessen zu haben. Einige fielen im Unterricht vor Hunger in Ohnmacht“
, sagt Mimbouabe, Leiter des Compassion-Kinderzentrums in Togo. „Die meisten Kinder gingen barfuß zur Schule, hatten keine Schuluniform oder eine Schultasche. Oft war die Kleidung zerrissen oder dreckig, die die Kinder in der Schule trugen.“ So erging es auch Bernadette.
Trotz alledem tat Bernadette immer ihr Bestes, wenn sie in der Schule war, und versuchte sich zu konzentrieren. Oft hatte sie Angst, war dadurch verwirrt und abgelenkt. Es war ihr peinlich, dass sie deswegen die Klasse dreimal nicht bestanden hatte.
„Ich war sehr schlecht in der Schule, weil ich den Unterricht nicht verstanden habe. Ich habe mir Sorgen gemacht, was aus mir werden wird“, erzählt Bernadette rückblickend.
Damit war sie nicht allein. Das Geld reichte meist nicht für Schulbücher und andere Materialien wie Schulhefte oder Stifte. Die Kinder saßen im Unterricht und versuchten sich all das zu merken, was sie im Unterricht hörten. Weil viele keine Schulhefte hatten, konnte sie sich keine Unterrichtsnotizen machen.
Die fehlenden Ressourcen und die mangelnde Unterstützung beeinträchtigten den Schulbesuch der Kinder. Die langen Arbeitstage der Eltern auf den Feldern machten die Situation nicht besser. Die Kinder waren oft auf sich allein gestellt, während die Eltern säten und gossen, jäteten und ernteten. Ohne Aufsicht der Eltern gerieten einige Kinder auf die schiefe Bahn, andere wiederum spielten lieber als zu lernen. Außerdem sahen einige Eltern den Sinn von Schulbildung nicht. Sie meldeten ihre Kinder von der Schule ab und nahmen sie mit auf das Feld, um zu arbeiten.
Ein Lichtblick
Für viele Kinder in der Region wurde das Compassion-Kinderzentrum zu einem Lichtblick, als es 2019 eröffnet wurde. Neben der dringend benötigten Unterstützung bei der Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Artikeln des täglichen Bedarfs konzentrierte sich das Kinderzentrum auf die Schulbildung der Kinder. Die Mitarbeiter verteilten Schulmaterialien und übernahmen die Schulgebühren der Kinder, die im Compassion-Patenschaftsprogramm aufgenommen wurden. Sie bekamen auch Schultaschen, Schuluniformen, Schuhe und Pullover für die kalte Jahreszeit.
Es war das erste Mal, dass Dambe die Hoffnung auf ein besseres Leben für ihre Tochter hatte. „Wenn ich meine Tochter anschaue, dann lächle ich. Ich bin stolz auf sie. Jetzt hat sie alles, was sie braucht. Ihre Bücher werden in ihrer Schultasche nicht mehr nass – auch wenn es regnet“, sagt Dambe.
Die Schüler begannen Spaß am Unterricht zu haben. Es gab weiterhin Raum für Verbesserungen. Das Kinderzentrum begann Schulungen für die Eltern zu organisieren, um darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig eine gute Schulbildung ist. Sie gaben den Eltern Tipps, wie sie ihre Kinder begleiten konnten, auch wenn sie selbst nie lesen oder schreiben gelernt hatten.
Die Mitarbeiter des Kinderzentrums betonten immer wieder: Eure Kinder sind intelligent und wollen lernen; es fehlt ihnen nur an Möglichkeiten und den Mitteln.
Einige Eltern begannen zu verstehen, wie wichtig die Schulbildung für die Kinder ist und machten sich mehr Gedanken über die schulischen Leistungen ihrer Kinder.
„Viele Eltern wussten einfach nicht, wie viel Potenzial in ihren Kindern steckt. Wenn wir die Eltern nicht unterstützt hätten, hätten wir Helden schlafen lassen. Der Funke musste überspringen“
, erzählt Mimbouabe, der Leiter des Compassion-Kinderzentrums. Die Reaktion der Eltern war ermutigend. Langsam wurde ihnen die Wichtigkeit einer guten Schulbildung bewusst.
In der Schule und zu Hause erhielt Bernadette alle Unterstützung, um zu lernen, sich zu verbessern und ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Auch wenn ihre Mutter Dambe nicht lesen und schreiben konnte, nutzte sie Tipps aus dem Kinderzentrum, um die schulische Entwicklung ihrer Tochter zu beaufsichtigen und ihr dabei zu helfen, die Schulaufgaben zu bearbeiten.
Das Kinderzentrum entwickelte zusätzlich ein Follow-Up-System mit der Schule. Die Mitarbeiter besuchten einmal in der Woche die Schule, gingen in Klassenräume und diskutierten die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler mit den Lehrkräften. Das gab den Lehrkräften die Möglichkeit, auf den spezifischen Unterstützungsbedarf der Kinder hinzuweisen. Aus diesen Gesprächen ergab sich, dass zusätzliche Förderkurse nötig waren, um die schulischen Leistungen der Kinder zu verbessern.
Bessere Noten und aufkeimende Hoffnung
Der unermüdliche Einsatz der Mitarbeiter des Compassion-Kinderzentrums, der Eltern und Lehrer haben sich gelohnt. Das Selbstvertrauen der Kinder und die Leistungen in der Schule haben sich verbessert. „Der Wandel ist wunderbar“, sagt Mimbouabe.
Schlechte Schulleistungen und die Enttäuschung darüber liegen für Bernadette in der Vergangenheit. Seit sie Teil des Compassion-Patenschaftsprogramms ist, hat sie jede Schularbeit bestanden. Mittlerweile besucht sie die fünfte Klasse und gehört zu den Besten in der Schule und ihr Selbstvertrauen wächst. Sie ist glücklich und glaubt, dass sie es im Leben schaffen wird und träumt davon, Ministerin zu werden.
Die Mädchen und Jungen im Kinderzentrum haben jetzt das Selbstvertrauen, sich auszudrücken. Mit einer richtigen Schuluniform und Schulmaterialien haben sie das Gefühl, dass sie in die Klasse gehören. Sie haben sauberes Wasser und können sich richtig waschen, um gesund zu bleiben.
Die Menschen aus der Nachbarschaft beobachten, dass die Jungen und Mädchen aus dem Kinderzentrum aufblühen. Das bewegt andere Eltern, ihren Kindern bei den Schulaufgaben zu helfen. Ein neuer Fokus auf Bildung beginnt sich in der Umgebung auszubreiten.
Dambe macht sich keine Sorgen mehr um die Zukunft ihrer Tochter. Sie hat neue Zuversicht und sagt, dass Bernadette alles erreichen kann.
„Jetzt glaube ich an meine Tochter, und ich hoffe, dass sie eines Tages sogar ein Flugzeug für mich kaufen kann“, sagt sie. „Ich bin den Paten für ihre Unterstützung sehr dankbar.“
Mimbouabe kann kaum glauben, welche Veränderungen es in der Nachbarschaft in nur wenigen Jahren gegeben hat. „Wir sind gerührt, dass wir in Menschen in unserer Umgebung solche Veränderungen bewirken konnten. Es wäre für uns als Kirche schwierig gewesen, diesen Ort so zu verändern, wie er heute aussieht. Dank der Zusammenarbeit mit Compassion und dem, was sie einbringen, hat sich das Herz der Menschen hier verändert.“
📷 Gabriella Samaty, Compassion Togo