Internationaler Frauentag
Konflikte, wirtschaftliche Unruhen und extreme Wetterbedingungen tragen weiterhin zu der Lebensmittelkrise bei. Das verschärft besonders die Situation von schwangeren und stillenden Frauen und Mädchen.
Obi war im zweiten Schwangerschaftsmonat, als sie ihren spärlichen Verdienst nutzte, um Medikamente und tägliche Mahlzeiten zu kaufen. Nicht einmal einen Euro verdiente sie mit dem Verkauf von Speiseöl. Obi fühlte sich nicht gut, konnte sich kaum auf den Beinen halten, nicht weil sie Schmerzen aufgrund der Schwangerschaft hatte – es war eine Folge ihres akuten Hungers. Die Pandemie drängte Obis Familie weiter in die Armut. Sie setzte Mahlzeiten aus, weil die Lebensmittel knapp waren, und das wirkte sich auf ihre Gesundheit aus. Die werdende Mutter machte sich zunehmend Sorgen, nicht um sich, aber um das Wohlbefinden ihres ungeborenen Kindes.
Ein UNICEF-Bericht zeigt, dass akute Unterernährung bei schwangeren und stillenden Frauen zwischen 2020 und 2022 um 25 Prozent anstieg, insbesondere in Ländern, die stark von der Lebensmittelkrise betroffen waren.ii Dazu gehörten Länder wie Burkina Faso, Äthiopien oder Kenia, in denen Compassion mit lokalen Partnerkirchen zusammenarbeitet.
Wenn eine schwangere Frau unterernährt ist, beeinflusst das die Gesundheit und Entwicklung des ungeborenen Kindes. Für Kinder, die in die ärmsten Verhältnisse geboren werden, bleibt Hunger meist ein ständiger Begleiter. 51 Millionen Kinder unter zwei Jahren sind laut UNICEF-Angaben aufgrund von Mangelernährung zu klein für ihr Alter, was als „stunting“ bezeichnet wird.iii Etwa die Hälfte dieser Kinder war während der Schwangerschaft oder in den ersten sechs Monaten ihres Lebens davon betroffen gewesen.iv
Konflikte, wirtschaftliche Unruhen und extreme Wetterbedingungen setzen die Ernährungssicherheit von schwangeren und stillenden Frauen weiter unter Druck. Eine unausgewogene Ernährung führt besonders bei Schwangeren zu Nährstoffmangel, was wiederum Anämie, Präeklampsie, Blutungen oder den Tod der Mutter zur Folge haben kann. Aufgrund fehlender Ressourcen bestand für Obi ein hohes Risiko für eine Fehlgeburt oder andere schwere Gesundheitsprobleme. Mangel- und Unterernährung kann bei dem ungeborenen Kind zu einem niedrigen Geburtsgewicht, Entwicklungsverzögerungen oder Auszehrung („Wasting“) führen.
Lucienne aus Burkina Faso freute sich, als ihre Tochter Felicite zur Welt kam. Drei Tage, nachdem sie das Geburtshaus verließen, begann sie starke Schmerzen beim Stillen zu haben. Die 32-Jährige konnte ihre Tochter nicht mit Muttermilch versorgen. Ihr Mann und sie standen vor der Frage, ob sie mit dem geringen Verdienst Luciennes Behandlung bezahlen oder Felicite versorgen? Und selbst mit dem wenigen Geld konnten, sie nur Wasser und Milch kaufen, die aber nicht geeignet sind, um ein damit ein Baby zu versorgen. Felicite war akut unterernährt und viel zu klein für ihr Alter.
„Ich hätte weinen können, als ich die blassen Augenlieder, trockenen Lippen und die Haut auf den Knochen der kleinen Felicite sah. Ich wusste, dass es ihr nicht gut ging und sie akut unterernährt war“, erzählt Adeline, Mitarbeiterin des Mutter-Kind-Programms der lokalen Partnerkirche von Compassion.
Umfassende Unterstützung für Mütter und ihre Babys
Das Mutter-Kind-Programm wurde von über 2.300 lokalen Partnerkirchen von Compassion in Afrika, Asien und Lateinamerika etabliert, um gezielt schwangere Frauen sowie Mütter und ihre Babys, die in Armut leben, ganzheitlich zu unterstützen.
In Obis 20. Schwangerschaftswoche erzählte ihr eine Frau aus der Kirche vor Ort vom Compassion-Kinderzentrum, das Kinder unterstützt. Was sie nicht wusste, ist, dass sie auch werdende Mütter wie sie unterstützen. „An dem Tag, als ich realisierte, dass die Kirche auch schwangere Frauen und ihren Babys hilft, eilte ich ins Kinderzentrum, weil ich mein Baby retten wollte.“
Eline, eine Mitarbeiterin des Mutter-Kind-Programms erinnert sich daran, wie Obi das erste Mal ins Kinderzentrum kam: „Es war schwierig für sie zu laufen, ohne dass sie von jemandem gehalten wurde. Ihre Krankheit wurde durch den Hunger verschlimmert.“
„Ich bin froh, dass ich im Mutter-Kind-Programm aufgenommen wurde. Eline rief mich an einem Tag an und brachte mich ins Krankenhaus. Ich hatte dort meine erste Kontrolluntersuchung der Schwangerschaft, erhielt Medikamente und Vitamine, die mir die Schmerzen nahmen“, erzählt Obi.
Auch Lucienne und ihre Tochter Felicite wurden im Mutter-Kind-Programm aufgenommen. „Vor meiner Teilnahme am Mutter-Kind-Programm bin ich nach meinen vorherigen Schwangerschaften bei Problemen zu einem traditionellen Heiler gegangen. Meine Kinder tranken die billigste Milch, die ich mir leisten konnte. Ich hatte keine ärztliche Unterstützung und ignorierte die Symptome von Mangelernährung und die Gefahr für die Kinder“, sagt Lucienne.
Durch das Mutter-Kind-Programm erhalten Lucienne, Obi und die anderen Mütter beispielsweise Zugang zu medizinischer Versorgung, prä- und postnataler Beratung oder erhalten Hilfe bei der Einkommensgewinnung. Regelmäßige Lebensmittelpakete, Hausbesuche der Mitarbeiter und Schulungen, z. B. zur Kindererziehung oder zum Stillen, tragen zur ganzheitlichen Entwicklung der Kinder. Bei Treffen im Kinderzentrum haben die Mütter und Babys Gemeinschaft mit anderen Frauen und Kindern. Es gibt ihnen Gelegenheit sich auszutauschen, voneinander zu lernen und sich auch gegenseitig im Alltag zu unterstützen. Das ermutigt und stärkt das Selbstbewusstsein: Denn sie wissen, dass sie nicht allein sind.
„Das Leben wäre für mich und Felicite ohne die Unterstützung des Kinderzentrums viel schwieriger gewesen. Wir haben Lebensmittelpakete, Seife, Kleidung und eine Babyausstattung erhalten. Weil das Kinderzentrum den Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglichte und Formulanahrung für Felicite und für mich andere Lebensmittel bereitstellte, geht es uns beiden heute gut. Ich bin gesund und kann meine Tochter stillen.“