Frei von Kinderarbeit
Ich schaute durch das Autofenster und war schockiert nicht nur Kinder zu sehen, die verlassen, hungrig und unterernährt waren, sondern auch die schlimmsten Formen von Kinderarbeit verrichteten. Sie brauchten dringend eine bessere Zukunft.
Drogenmissbrauch, Alkoholismus und häusliche Gewalt: Mit diesen Dingen waren Kinder täglich konfrontiert. Als Vater von drei Kindern hat mich das sehr betroffen gemacht.
Ich habe den Ort immer wieder besucht. Allerdings ahnte ich nicht, dass meine Begegnungen mit den Kindern dort meine ganze Welt verändern würden. Einige Monate später hat Gott meine Familie und mich in den Dienst der Kirche vor Ort berufen. Ohne zu zögern, haben wir „Ja“ zu dieser Herausforderung gesagt.
2017 hat die Zusammenarbeit mit Compassion begonnen und eröffneten das Kinderzentrum, in dem wir fast 500 Kinder begleiten. Seither sehe ich fröhliche und lachende Kinder, die Geschichten aus der Bibel hören, eine warme Mahlzeit essen, medizinisch versorgt werden und in die Schule gehen können, weil sie jetzt Möglichkeiten dazu haben. Vor allem können sie ihre Kindheit genießen, so wie es ihnen zusteht. Es ist keine einfache Aufgabe, aber jeder kleine Sieg, Kinder aus Armut und aus Kinderarbeit zu befreien, zählt.
Ein Fürsprecher für Kinder
Im Buch Exodus in der Bibel lesen wir von Moses Mutter Jochebed, die ihr Kind rettet und ihm so die Chance zu leben gibt. Obwohl der Pharao forderte, dass alle männlichen Säuglinge getötet werden sollten, weigerte sich Jochebed, Mose sterben zu lassen. Das Volk Israel hatte Mose als seinen Befreier. Die eindrucksvolle Geschichte hat mich viel über Kinderschutz gelehrt. Jetzt darf ich dieses Thema mit den Eltern der Kinder im Compassion-Patenschaftsprogramm teilen, damit sie sich der Wichtigkeit bewusst werden.
Laut UNICEF sind in Lateinamerika sieben Prozent der Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren von Kinderarbeit betroffen. Viele Kinder und Jugendliche in unserem Ort leben in Familien, die mit weniger als zwei Euro am Tag auskommen müssen. Viele sind deshalb gezwungen, die Schule abzubrechen, um zu arbeiten. Sie arbeiten als Tortilla-Verkäufer, als Bauarbeiter oder Drogenhändler, reinigen Autoscheiben an der Ampel, fragen auf der Straße nach Geld oder sammeln Plastikflaschen und Dosen auf Mülldeponien.
Die Gefahren, denen Kinder und Jugendliche bei diesen Arbeiten ausgesetzt sind, sind erschreckend. Viele wurden überfahren, als sie an der Ampel nach Geld fragten, und andere verletzten sich mit Schaufeln, Spitzhacken oder anderen Werkzeugen, die zu schwer für sie waren. Kinder, die Plastikflaschen auf Mülldeponien sammeln und keine Schutzkleidung tragen – noch nicht einmal Masken oder Handschuhe – sind Gesundheitsrisiken ausgesetzt.
In Anbetracht dieser Situation haben wir Vertreter des honduranischen Nationalen Rates für Kinder, Jugendliche und Familie sowie der Menschenrechtskonvention in unseren Ort eingeladen, damit sie sich ein eigenes Bild von der Situation machen konnten. Dies geschah nicht nur, um das Bewusstsein von Kinderarbeit zu schärfen, sondern auch um Lösungen zu finden.
Gemeinsam haben wir wertvolle Workshops für Eltern zum Thema Kinderschutz und Kinderarbeit entwickelt, die Wirkung gezeigt haben. Außerdem haben wir uns mit der Organisation „Alternatives and Opportunities“ zusammengetan, deren Mitglieder den Eltern nicht nur unternehmerische und berufliche Alternativen aufzeigen, sondern ihnen auch die nötigen Materialien zur Verfügung stellen. So können sie ihr eigenes kleines Geschäft gründen und müssen ihre Kinder nicht zur Arbeit schicken.
Viele Eltern können durch den Verkauf von selbsthergestellten Reinigungsmitteln wie Desinfektions- oder Bleichmitteln Geld verdienen, um davon Lebensmittel zu kaufen. Andere haben damit begonnen Bodylotion und Parfüm zu verkaufen, um davon Dinge zu kaufen.
2019 haben wir den Marsch „Children’s March“ organisiert. Kinder, die am Compassion-Patenschaftsprogramm teilnehmen, sind durch die Nachbarschaft gezogen und haben ihre Stimme gegen Kinderarbeit und Ausbeutung erhoben. Die Kinder haben Schilder hochgehalten und T-Shirts getragen, um für ihre Rechte einzustehen.
Im gleichen Jahr wurde ich mit anderen Vertretern des Nationalen Rates für Kinder, Jugendliche und Familie, der Menschenrechtskommission und der lokalen Kirche eingeladen, Teil der „The Protection Table“ zu werden. Ich fühlte mich geehrt ein Fürsprecher für Kinder zu werden und sie und ihre Familien wissen zu lassen, dass ich hinter ihnen stehe.
„The Protection Table“ ist eine Bewegung, die das Bewusstsein der Allgemeinheit schärfen möchte, sich gegen jegliche Form von Missbrauch auszusprechen. Familien und Kinder wissen, dass sie sich mit ihrer Geschichte an jedes Mitglied des „Tisches“ wenden können, um Unterstützung und Gerechtigkeit zu erhalten.
Kinderarbeit verhindern
Ich möchte mit euch eine Geschichte von drei Kindern aus dem Compassion-Patenschaftsprogramm teilen. Sie haben die Mutter nach OP-Komplikationen verloren. Maria, die Großmutter, wurde zum gesetzlichen Vormund der Kinder ernannt.
Uns wurde berichtet, dass die zwei jüngeren Mädchen, die sieben und fünf Jahre alt waren, im Ort nach Geld fragten. Da wir das als eine Form von Vernachlässigung und Kinderarbeit betrachten, erkundigten wir uns bei der Großmutter, was geschehen war. Zu unserer und Marias Überraschung hat niemand die Kinder losgeschickt, um nach Geld zu fragen.
Die Mädchen gaben zu, dass sie einem Nachbarn im gleichen Alter gefolgt sind, der es gewohnt war, auf den Straßen betteln zu gehen. Glücklicherweise sah ein Compassion-Mitarbeiter die Mädchen auf der Straße und brachte sie zurück. Wir sprachen mit Maria über den Vorfall. Sie war traurig und besorgt. Sie sagte: „Ich arbeite den ganzen Tag. Die Mädchen müssen also nicht arbeiten und auf der Straße betteln gehen.“ Wir sagten Maria, dass es nicht ihre Schuld sei, und wir ermutigten sie uns wissen zu lassen, wenn sie unsere Unterstützung bräuchte.
So unbedeutend dieser Vorfall auch scheinen mag, Kinder sind schutzlos und können im Handumdrehen Opfer von Ausbeutung werden, wenn sie nicht von einem Erwachsenen beaufsichtigt werden.
Wenn mich Leute fragen, ob ich Angst um mein Leben habe oder ob ich jemals bedroht wurde, weil ich mich für Menschen in Armut einsetze, muss ich ehrlich sagen: Ich hatte nie Angst und mein Leben war nie in Gefahr.
Mich für diejenigen einzusetzen, die es selbst nicht tun können, ist eine Berufung Gottes. Dazu ermutige ich andere, insbesondere Pastoren, Bürgermeister und Regierungsvertreter.